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Selbstheilungskräfte So aktivieren Sie den "inneren Arzt"

Entspannung
"Übermäßiger Stress ist der wohl größte Saboteur der Selbstheilung", sagt Tobias Esch. Der Allgemeinmediziner rät deshalb zur regelmäßigen Entspannung
© reichdernatur / Fotolia
Der Mediziner Tobias Esch erklärt, über welch großen Selbstheilungskräfte jeder Mensch verfügt und wie er sie stärken kann – und weshalb Stress ein gefährlicher Gegenspieler ist
Interview: Maria Kirady und Claus Peter Simon

GEO WISSEN: Herr Professor Esch, was ist unter Selbstheilung zu verstehen? Für manche Menschen klingt der Begriff ein wenig esoterisch.

Prof. Dr. Tobias Esch: Selbstheilung ist die Fähigkeit des Körpers, Krankheitszustände zu überwinden und wieder gesund zu werden. Daran ist nichts esoterisch. Denken Sie an eine Wunde, die sich von allein schließt. Das ist eine typische Form der Selbstheilung. Manche Umstände behindern eine solche Wundheilung allerdings – zum Beispiel eindringende Keime oder Stress, der das Immunsystem in seiner Funktion beeinträchtigt.

Andere Faktoren beschleunigen sie dagegen, so etwa eine Ruhigstellung der Verletzung oder auch guter Schlaf. Wir pendeln ständig zwischen Krankheit und Gesundheit. Zu einer Krankheit kommt es, wenn die Selbst- heilungskräfte des Körpers überfordert sind, etwa durch dauerhaften Stress, starke Gifte – oder Tumoren: In solchen Fällen reicht die Selbstheilungsfähigkeit dann nicht mehr aus, um wieder gesund zu werden.

Sollte ich bei einer Erkrankung auf meine Selbstheilungskräfte vertrauen und erst zum Arzt gehen, wenn die nicht ausreichen?

Nein, das ist eine falsche Vorstellung. Heilung beruht auf drei Faktoren: Der erste steht für das, was der Arzt mit dem Patienten macht, von der Diagnose über Röntgenbilder bis hin zur Operation. Der zweite umfasst alles, was der Patient vom Arzt bekommt, ob Medikamente, Therapien oder Hilfsmittel. Und der dritte schließlich ist die Selbstheilungskraft des Patienten.

Wie kann ein Mediziner die in seine Behandlung mit einbeziehen?

Er sollte schauen, was den „inneren Arzt“ eines Patienten behindert – und was ihn fördert. Der Mediziner muss einen ganzheitlichen Blick auf die Lebensumstände des Betroffenen haben, ihn unterstützen und ermutigen.

Das gilt unabhängig vom Schweregrad einer Erkrankung?

Ja, der Faktor Selbstheilung ist in jedem Fall wichtig – ob es sich nun um einen grippalen Infekt handelt oder darum, den Genesungsprozess nach einer schweren Krebsoperation zu unterstützen, etwa durch Bewegung.

Was genau bedeutet der Begriff „innerer Arzt“?

Er zielt auf die enge Verflochtenheit zwischen Geist und Körper und berücksichtigt insbesondere, auf welche Weise mentale Faktoren Einfluss auf die Gesundheit nehmen. Eine gute Medizin stellt daher den Patienten mit dessen Ressourcen in den Mittelpunkt: Ihr Anliegen ist es, bei dem Betroffenen die Überzeugung zu wecken, dass er selbst viel Gutes für seine Gesundheit bewirken kann.

Wie funktioniert das konkret?

Wir wissen beispielsweise, dass jemand, der Sport treibt, nicht nur seinen Körper stärkt, sondern auch das sogenannte Belohnungssystem in seinem Gehirn aktiviert: Es schüttet Botenstoffe aus, die Angst und Stress reduzieren, aber auch den Blutdruck senken und Entzündungsprozesse bremsen.

Der Betroffene setzt die körpereigene Apotheke in Gang. Ich kann als Patient also schon mit einer simplen Maßnahme wie Bewegung enorm viel für mich selbst tun und bin nicht allein abhängig von der Medizin. Insgesamt gibt es vier Mittel, mit denen sich die Selbstheilungskräfte stärken lassen. Neben ausreichend Bewegung sind es: gesunde Ernährung, ein stressreduzierendes Verhalten und regelmäßige Entspannung.

Prof. Dr. Tobias Esch...

... ist Allgemeinmediziner und leitet das Institut für Integrative Gesundheitsversorgung an der Universität Witten/Herdecke: Patienten können dort nach den Regeln der Komplementärmedizin behandelt werden.

Wie wirken sich diese Faktoren positiv auf eine Erkrankung aus?

Es ist seit Langem bekannt, dass mehr als 80 Prozent aller Diabetes- Typ-2-Erkrankungen mit dem Lebensstil zusammenhängen. Oft führt die Krankheit zu einer deutlich eingeschränkten Lebenserwartung; auch die Lebensqualität sinkt, es kommt zu dramatischen Begleiterkrankungen bis hin zur Erblindung oder Amputation von Gliedmaßen.

Solange die Begleiterscheinungen eines Diabetes noch nicht stark ausgeprägt sind, kann ich als Patient sehr wirksam gegensteuern. Das heißt, wenn ich gesund esse, Sport treibe, Stress vermeide und mich zu entspannen lerne, kann ich die Erkrankungssymptome in der Regel deutlich mildern – und in manchen Fällen ist sogar eine Heilung möglich. Das gilt auch für andere große Zivilisationsleiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viele Schmerzzustände, Magen-Darm- Störungen oder Übergewicht.

Dass Sport und gesunde Ernährung hilfreich sind, leuchtet sofort ein. Aber inwiefern sind Entspannung und Stressreduktion für die Selbstheilungskräfte wichtig?

Übermäßiger Stress ist der wohl größte Saboteur der Selbstheilung – ihn gilt es zu verhindern. Dazu muss man wissen, dass Stress evolutionär eine Reaktion auf eine lebensbedrohliche Situation ist: Ich ziehe die Schultern hoch, um das Genick zu schützen, was zu Verspannungen führt. Ich aktiviere die Rumpfmuskulatur, um die Organe zu schützen, kann dadurch nur noch flach und schnell atmen. Ich beiße die Zähne zusammen, um das Gebiss zu schützen. Das Blut verdickt sich, damit ich bei einer Verwundung nicht verblute. Die Verdauung kommt zum Erliegen. Und das Stresshormon Kortisol gibt mir Kraft für Kampf oder Flucht, unterdrückt aber das Immunsystem.

Normalerweise beruhigt sich der Körper nach einer akuten Stressphase wieder. In den meisten Fällen haben wir es jedoch heutzutage mit psycho­sozialem Stress zu tun, im Büro oder auch in der Familie. Der ist oft nicht auf einzelne Situationen begrenzt, sondern wird schnell zur Dauerbelastung. Der Körper befindet sich dann langfristig im Ausnahmezustand, eine vollständige Regeneration findet kaum mehr statt. Und viele Menschen sind sich dessen nicht einmal bewusst.

Merh erfahren? Das ausführliche Interview lesen Sie in "GEO WISSEN Gesundheit - Die Heilkraft des Körpers". Darin spricht Tobias Esch über die Bedeutung von Achtsamkeit und verrät, was er selbst tut, um seinen Alltag gesund zu gestalten.

GEO Wissen Gesundheit Nr. 10 - Die Heilkraft unseres Körpers

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