Selenskyj über Scholz-Telefonate: „Gab Situationen, in denen Wände gezittert haben“

Ukraine-Präsident exklusiv bei BILD

Quelle: BILD
Von: Paul Ronzheimer (Zzt. in Kiew)

Am Mittwochmorgen hat Russlands Diktator Wladimir Putin (69) mit sofortiger Wirkung eine Teilmobilmachung seiner Streitkräfte angeordnet. 300 000 Reservisten sollen in die Ukraine geschickt werden!

In einer TV-Ansprache kündigte Putin zudem vier Referenden in besetzten ukrainischen Gebieten an und drohte dem Westen erneut mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Wie reagiert die Ukraine? Am Mittwochnachmittag traf BILD den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) zum Interview in der Hauptstadt Kiew.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj gab BILD sein erstes Interview nach Putins Ankündigung, eine Teil-Mobilmachung durchzuführen und Referenden in bestezten Gebieten abzuhalten

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj gab BILD sein erstes Interview nach Putins Ankündigung, eine Teil-Mobilmachung durchzuführen und Referenden in besetzten Gebieten abzuhalten

Foto: Giorgos Moutafis

Das sagt Selenskyj zur russischen Teilmobilmachung, den Russen-Referenden und Putins Atom-Drohung gegen sein Land und den Westen!

Im BILD-Interview erklärte Selenskyj, dass er Putins Rede nicht gesehen habe. Dessen TV-Ansprache sei „nicht mein Lieblingsvideo“, sagte der Präsident. „Ich habe alle Informationen, die ich brauche.“ Die Rede sei „nichts Neues für mich“.

Putin habe die Teilmobilmachung bereits durchgeführt, sagte Selenskyj zu BILD. „Unsere Geheimdienste und unsere Verbündeten haben das schon gesagt. Den ganzen letzten Monat hat er die Mobilmachung durchgeführt.“

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj im Interview mit BILD-Vize Paul Ronzheimer in Kiew

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj im Interview mit BILD-Vize Paul Ronzheimer in Kiew

Foto: Giorgos Moutafis

Selenskyj zufolge zeige die Teilmobilmachung, dass Russland „Probleme mit Offizieren und anderem Militärpersonal“ habe. „Wir wissen bereits, dass sie Kadetten mobilisiert haben, Jungs, die nicht kämpfen konnten. Diese Kadetten sind gefallen. Sie konnten nicht einmal ihre Ausbildung beenden. All diese Menschen können nicht kämpfen. Sie sind zu uns gekommen und sterben.“

Der Ukraine-Präsident weiter: „Er sieht, dass seine Einheiten einfach weglaufen. Er braucht eine millionenschwere Armee, die zu uns kommt. Denn er sieht, dass ein großer Teil jener, die zu uns kommen, einfach wegläuft.“

Selenskyjs düsteres Fazit: „Er möchte die Ukraine in Blut ertränken, aber auch im Blut seiner eigenen Soldaten.“

Deutsche Panzer „retten Leben“

Selenskyj wandte sich direkt an Deutschland und forderte mehr militärische Unterstützung. Konkret: Deutsche Kampfpanzer!

„Für uns bedeuten Kampfpanzer, dass wir mehr Menschenleben retten können“, sagte der ukrainische Präsident. Die Ukraine sei dankbar für die militärische und finanzielle Unterstützung aus Deutschland, brauche aber mehr, um den Krieg zu gewinnen. „Gepanzerte Technik ist eine Frage des Überlebens, des Überlebens unserer Soldaten“, sagte Selenskyj im BILD-Interview.

Der Ukraine-Präsident appellierte an die Bundesregierung, die Verweigerung der Panzer-Lieferungen nicht mit dem Verhalten der USA oder anderer Länder zu begründen. „Sie sind unabhängig von anderen Staaten“, sagte Selenskyj an die deutsche Regierung gerichtet. „Deutschland ist die stärkste Volkswirtschaft Europas, also kann Deutschland auch mit gutem Beispiel vorangehen.“

So laut wurde es bei Scholz-Telefonaten

Der ukrainische Präsident erzählte auch, dass es bei Telefongesprächen mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) gelegentlich laut zugegangen sei. „Ich bin ein sehr direkter Mensch. Das liegt nicht nur an meinem Charakter. Das spart auch Zeit, um Probleme zu lösen“, so Selenskyj.

„Am Telefon war ich oft sehr direkt, weil ich gewisse Schritte nicht verstanden habe“, sagte der Präsident. „Es gab Situationen, in denen die Wände gezittert haben.“

„Ich glaube nicht daran, dass er diese Waffen einsetzen wird“

Der ukrainische Präsident zeigte sich von Putins Drohungen unbeeindruckt. Er plane nicht, die Zurückeroberung der von Russland besetzten Gebiete abzubrechen. „Wir werden Schritt für Schritt nach unseren Plänen handeln. Ich bin mir sicher, wir werden unser Territorium befreien.“ Die Referenden seien „Scheinreferenden, 90% der Staaten werden sie nicht anerkennen“.

Zu Putins indirekter Drohung, Atomwaffen einzusetzen, sagte Selenskyj: „Ich glaube nicht daran, dass er diese Waffen einsetzen wird. Ich glaube nicht, dass die Welt es zulassen wird, dass er diese Waffen einsetzt.“

Einen Atomschlag schließt Selenskyj dennoch nicht aus: „Wir können diesem Menschen nicht in den Kopf schauen, es gibt Risiken.“

Dennoch dürfe man Putins Drohungen nicht nachgeben. „Morgen kann Putin sagen: Wir wollen außer der Ukraine auch einen Teil von Polen haben, sonst werden wir Atomwaffen einsetzen. Wir können diese Kompromisse nicht eingehen.“

Selenskyj: Was, wenn Putin Deutschland droht?

Selenskyj warnte auch Deutschland davor, Putins Atomwaffen-Drohungen nachzugeben: Übermorgen kann er sagen, dass „auch Deutschland an die DDR und die BRD erinnern, wie es früher war. Er wird sagen: Entschuldigung, wir werden beginnen, die Mauer wieder aufzubauen. Hier haben wir unsere russischen Ziegelsteine mitgebracht. Wird Deutschland sich darauf einlassen, weil sie Angst haben, dass Russland Atomwaffen einsetzt?“

Der Ukraine-Präsident zu BILD: „Es gibt noch Staaten in der Welt, die nicht verstanden haben, dass Putin den Krieg bereits verloren hat. Historisch hat er verloren. Nicht nur gegen die Ukraine. Er hat gegen sein Land verloren. Er hat gegen die ganze Welt verloren. Er hat gegen die Demokratie verloren. Sein Krieg ist verloren. Ab dem ersten Tag der Invasion auf das Territorium der Ukraine hat er diesen Krieg verloren. Niemand wird ihm etwas vergeben.“

Teilmobilmachung in RusslandPutins Drohungen an die Welt

Quelle: BILD / Reuters / AP
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