Baustellenfahrzeuge im Innenhof einer Schule.

In Hessen müssten viele Schulen dringend saniert oder neu gebaut werden. Die Lehrergewerkschaft GEW schätzt den Investitionsbedarf auf vier bis fünf Milliarden Euro - etwa die Hälfte davon entfällt allein auf Frankfurt.

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Die Liste von Mängeln an hessischen Schulen ist lang

Mühlbergschule in Frankfurt
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Seine ersten drei Schuljahre hat Jonathan im Container verbracht. Dort war es nicht immer leicht, sich zu konzentrieren, wie er sich erinnert. Manchmal war die Klassenlehrerin schwer zu verstehen, wenn ein Flugzeug über die Containeranlage hinweg donnerte, wo die Mühlbergschule in Frankfurt-Sachsenhausen behelfsweise untergebracht war. Oft ratterten Züge auf den angrenzenden Gleisen vorbei. Im Sommer herrschten schon mal 35 Grad in dem weißen Blech-Container.

Das Gebäude der Mühlbergschule war marode und zu klein geworden. Im Schulbezirk liegt das große neue Wohngebiet am Henninger Turm. Der Altbau musste saniert und erweitert werden. Vorgesehen waren dafür zwei Jahre, letztlich wurden es fünf Jahre. Die Blechcontainer wurden zur Dauerlösung.

Mühlbergschule in Frankfurt

"Es war schon nicht so toll, dass es so viel Lärm gab", erinnert sich Jonathan. Dazu kamen verdreckte Toiletten, ein trister Schulhof und keine eigene Sporthalle. Erst durch massiven Druck der Eltern auf die Kommunalpolitiker sei es irgendwann vorangegangen auf der Baustelle, sagt Alexander Kohnen vom Schulelternbeirat: "Das hat uns viel Zeit und Nerven gekostet." Die zuständigen Ämter hätten aber nicht gut mit den Eltern kommuniziert, so Kohnen: "Oft haben wir nur zwei Bauarbeiter auf der Baustelle gesehen und uns gefragt, warum es nicht vorangeht."

Viele Problemfälle in Frankfurt

Rafaela Hartenstein hört aus vielen Schulen ähnliche Geschichten. Sie ist Vorsitzende des Stadtelternbeirats Frankfurt. Bau- und Renovierungsarbeiten verzögerten sich; lange geplante Schulen würden nicht gebaut, weil noch kein Grundstück gefunden wurde; viele Schulen warteten seit Jahren auf eine dringend notwendige Sanierung. 

Hartenstein zählt einige Problemfälle im Stadtgebiet auf:

  • Die Gruneliusschule in Oberrad sei völlig marode und platze aus allen Nähten.
  • In der Münzenbergerschule in Eckenheim hat man die Fenster in der Turnhalle mit Schutzfolie beklebt - aus Angst, dass sie sonst rausfallen. Im Untergeschoss im Hauptgebäude gibt es seit Jahren Schimmel, dazu kam ein Rohrbruch. Unterrichtsräume können nicht genutzt werden. 
  • In der Holzhausenschule im Westend ist die Turnhalle seit Jahren gesperrt wegen Pilzbefalls.
  • An der ausgelagerten Containeranlage der Diesterwegschule in Ginnheim gibt es statt eines Schulhofs eine Baustelle.
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Der Stadtelternbeirat Frankfurt schlägt Alarm. "Uns Eltern reicht es einfach", regt sich Hartenstein auf: "Es muss erst das völlige Chaos ausbrechen. Und wenn dann der Rohrbruch erfolgt ist und die Schule nass ist, dann werden Räumlichkeiten gesperrt und stillgelegt." Ihr Eindruck: Die Stadt Frankfurt reagiere nur noch, Sanierungen würden kaum noch aktiv geplant. 

"Mammutaufgabe, die nicht in ein paar Jahren erledigt ist"

Die Frankfurter Dezernentin für Bildung und Schulbau, Sylvia Weber (SPD), antwortet auf hr-Anfrage schriftlich. Es gebe zwar Probleme, räumt sie ein, aber man habe auch viel getan in den vergangenen sechs Jahren, also in ihrer Amtszeit: "Wir haben zehn neue Schulen gegründet und eröffnet und auch ganz erhebliche Mittel in die Sanierung unserer Schulen gesteckt."

Mühlbergschule in Frankfurt

Doch dass es in Frankfurt viel Rückstau im Schulbereich gibt, kann auch Weber nicht leugnen. "Bei 168 Schulen im Stadtgebiet ist das eine Mammutaufgabe, die man nicht in ein paar Jahren erledigen kann", wirbt die Dezernentin um Verständnis. 

Hochtaunuskreis investiert am meisten, Kassel am wenigsten

Das Problem geht aber weit über Frankfurt hinaus. Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schätzt den Investitionsstau an hessischen Schulen auf insgesamt vier bis fünf Milliarden Euro. Zwei Milliarden Euro davon entfallen laut GEW allein auf Frankfurt.

In vielen hessischen Städten und Kreisen seien die Schulgebäude in die Jahre gekommen, und man habe in der Vergangenheit zu wenig investiert, kritisiert die GEW. Welche Kreise in den vergangenen 30 Jahren am meisten Geld in die Schulen gesteckt haben und welche am wenigsten, das hat Kai Eicker-Wolf vom Landesverband der GEW im August 2020 in einer Studie erfasst

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Ergebnis der GEW-Untersuchung: Spitzenreiter ist mit Abstand der Hochtaunuskreis. Er investierte im Schnitt jährlich 1.444 Euro pro Schülerin oder Schüler in Bau und Unterhalt der Schulgebäude. Schlusslicht ist die Stadt Kassel. Dort wurden in den Jahren 1992 bis 2018 durchschnittlich nur jeweils 267 Euro pro Schülerin oder Schüler investiert.

Investitionsstau in Frankfurt am größten

Es verwundert also nicht, dass in Kassel regelmäßig Schüler und Lehrkräfte wegen maroder Schulen auf die Straße gehen und das im Hochtaunuskreis so gut wie kein Thema ist. Frankfurt hat relativ viel investiert in den vergangenen Jahren. Die Stadt liegt mit 871 Euro pro Schüler oder Schülerin pro Jahr im oberen Fünftel. 

Trotzdem hat Frankfurt laut GEW Hessen den mit Abstand größten Investitionsstau in Sachen Schulbau und -unterhalt im ganzen Land. Die Gründe seien vielfältig. Zum einen zögen viele Familien mit schulpflichtigen Kindern nach Frankfurt. "Die brauchen alle einen Platz an einer Schule", sagt Eicker-Wolf. Zum anderen gebe es in der Stadt sehr viele alte Schulgebäude, an denen lange zu wenig erneuert wurde.

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Und noch etwas spiele eine Rolle, sagt Rafaela Hartenstein. In Frankfurt sei es besonders schwer, einen geeigneten Standort für eine neue Schule zu finden. "Wir haben hier einen heißen Grundstücksmarkt", betont die Stadtelternbeirätin. Das bestätigt Bildungsdezernentin Weber: "Die Kommune darf der Spekulation keinen Raum bieten und kann deshalb in der Preiskonkurrenz oft nicht mithalten."

Viele Mühlbergschüler lernten nur im Container

Zurück zur Mühlbergschule. Die alte, neue Grundschule ist fast fertig und wurde zum Schuljahresbeginn eröffnet. Es gibt den frisch sanierten Altbau und einen Neubau mit zwei Turnhallen, einer Mensa und Smartboards in allen Klassenräumen. Noch stehen Bagger vor der Schule, Teile des Schulhofs sind noch nicht ganz fertig.

Alexander Kohnen vom Schulelternbeirat gefällt es, die Freude sei allerdings getrübt von den vergangenen fünf Jahren: "Das war eine lange Durststrecke." Viele Schüler hätten in ihrer gesamten Grundschulzeit ihre eigentliche Schule nicht ein einziges Mal von innen gesehen. Jonathan hat wenigstens noch ein Jahr im richtigen Schulgebäude vor sich, bevor er auf eine weiterführende Schule geht. "Toll ist, dass wir jetzt zwei Turnhallen haben", sagt der Viertklässler. Statt keiner wie bisher.

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