Aus Meppen in die Premier League: Hier spricht Deutschlands bester Torjäger

Hofft auf einen Anruf von Bundestrainer Flick: Deniz Undav

Hofft auf einen Anruf von Bundestrainer Flick: Deniz Undav

Foto: Getty Images
Von: Aline Häger

In Belgien schoss Torjäger Deniz Undav (25) seinen Klub St. Gilloise mit 25 Treffern auf Platz 1 und in die Meister-Playoffs. Kein anderer deutscher Stürmer in Europa hat in dieser Saison öfter getroffen.

SPORT BILD: Bei Werder in der Jugend aussortiert, kickten Sie vor zwei Jahren noch für Meppen in der 3. Liga. Heute gehören Sie neben Karim Benzema, Kylian Mbappé und Robert Lewandowski zu Europas Top-Scorern, sind überraschend auf Meisterkurs mit Belgien-Klub Union St. Gilloise und stürmen ab Sommer für Brighton in der Premier League. Wie viel Genugtuung spüren Sie?

Deniz Undav: Ich spüre mehr Freude als Genugtuung. Nachdem ich den Vertrag bei Brighton unterschrieben habe, dachte ich: ‚Wow, wow, wow!‘ Bald spiele ich in der wohl besten Liga der Welt. Ich glaube, das hätten mir viele auf meinem Weg nicht zugetraut. Aber erst, wenn ich mich dort durchgesetzt habe, kann ich von mir behaupten, dass ich Großes geleistet habe.

Auf was freuen Sie sich in England am meisten?

Ich fiebere den Duellen mit Top-Verteidigern wie Liverpools Virgil van Dijk entgegen. Meine Motivation ist, mich auf höchstem Niveau gegen die größten Fußballer zu beweisen. Aber erstmal will ich mit Union Historisches schaffen.

Den ersten Meistertitel seit 1935. Haben Sie sich deshalb nach dem Wintertransfer zu Brighton bis zum Saisonende an Ihren aktuellen Klub ausleihen lassen?

Wenn ich etwas anfange, bringe ich es auch zu Ende. Der Gedanke war: Wenn ich im Winter bei Brighton unterschreibe, will ich die Saison mit Union beenden und mich als Meister verabschieden.

Was zeichnet Ihre aktuelle Mannschaft, die als Tabellenerster in die Meisterrunde gestartet ist, aus?

Wir sind eine eingespielte, verschworene Einheit. Auf dem Feld sind wir elf Brüder, die für den Trainer, den Verein und die Fans ihr letztes Hemd geben. Es ist einfach phänomenal, was in dieser Saison passiert.

Zu Ihrem Fußballmärchen gehören auch dunkle Kapitel. Wie schlimm war das Aus bei Werder für den Jungen aus Achim in der Nähe von Bremen?

Als der Trainer mir sagte, dass es für mich bei Werder nicht weitergehe, war ich damals am Boden zerstört. Als kleiner Junge war es für mich das Größte, dort zu spielen. Ich wollte es zu den Profis schaffen. Als dieser Traum geplatzt war, habe ich ein, zwei Tage geweint und mir dann gesagt: ‚Es gibt noch andere Wege, Profi zu werden.‘

Danach spielten Sie in der Jugend beim SC Weyhe und konnten sich jahrelang nicht für größere Klubs empfehlen. Haben Sie ans Aufhören gedacht?

Ja, in der U17 habe ich mal kurz darüber nachgedacht aufzuhören. Ich habe immer meine Tore gemacht, aber wurde einfach nicht gesehen, habe nie ein Angebot erhalten, professionell Fußball zu spielen. Ich bekam ständig zu hören: ‚Du hast zwei, drei Kilo zu viel drauf.‘ Aber wenn man an mich geglaubt hätte, wäre das Gewicht kein Ausschlusskriterium gewesen. Ich habe ja regelmäßig getroffen und hätte es schnell reduzieren können. Zum Glück hat meine Familie mich davon abgehalten, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.

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Nach Stationen in Havelse und bei Eintracht Braunschweig II nahm Ihre Karriere erst ab 2018 in Meppen Fahrt auf. Der damalige Trainer Christian Neidhart hatte eine „Riesen-Fantasie“ mit Ihnen, wie er sagt. Für ihn sind Sie „ein Bulle auf dem Platz mit außergewöhnlicher Qualität im Spiel mit dem Rücken zum Tor“…

Da will ich Christian Neidhart nicht widersprechen (lacht). Dieser Trainer war wichtig für meine Karriere, er hat auf mich gesetzt und mich sehr gefördert. Ich habe unter ihm viel an meinem Spiel mit dem Rücken zum Tor gearbeitet.

Ist das ihre größte Stärke?

Als meine größte Stärke sehe ich eher meine Spielintelligenz: die Fähigkeit, Dinge im Spiel zu sehen, die andere nicht sehen.

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Was meinen Sie konkret?

Bevor ich den Ball bekomme, überlege ich genau, wohin ich ihn spiele. Super ist, wenn du Kollegen hast, die verstehen, wie du denkst, zu denen du die Kugel blind in die Lücke spielen kannst. Das ist für mich perfekter Fußball. Ich habe mir früher viele Videos von den damaligen Barca-Stars Xavi, Andres Iniesta und Lionel Messi angeschaut. Deren Zusammenspiel war traumhaft.

Für Sie als einen der Top-Torjäger Europas könnte demnächst der Traum von der Nationalmannschaft in Erfüllung gehen. Sie sind in Deutschland geboren, haben türkische Wurzeln. Für welches Land möchten Sie auflaufen?

Auf jeden Fall ist es mein Ziel, Nationalspieler zu werden. Ich bin offen für beide Nationen. Bei einem Anruf von Stefan Kuntz (Nationaltrainer der Türkei, d. Red.) oder Hansi Flick würde ich mir zwei, drei Tage Bedenkzeit erbeten und mich mit meiner Familie besprechen. Fest steht: Ich werde meine Entscheidung nicht über die Köpfe meiner Eltern hinweg treffen. Sie haben immer ein Mitspracherecht, sie haben mich großgezogen und stets unterstützt. Bisher hat sich aber noch niemand gemeldet.

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