Zum Inhalt springen

Neuer Bitcoin-Rekordkurs Totgesagte steigen höher

2017 stand Bitcoin bei knapp 20.000 Dollar, dann brach der Kurs massiv ein. Nun ist er zurück – und erreicht ein neues Allzeithoch. Überraschend kommt das nicht.
Von Friedemann Brenneis
Bitcoin-Symbolbild: Vor zehn Jahren 20 Cent wert

Bitcoin-Symbolbild: Vor zehn Jahren 20 Cent wert

Foto: JIM URQUHART/ REUTERS

Erst langsam und dann auf einmal ganz schnell: In der Bitcoin-Community kennt man dieses Prinzip bereits. So nämlich entwickelt sich der Kurs des digitalen Geldes nicht zum ersten Mal. Mäanderte der Bitcoin-Preis über ein Jahr lang relativ beständig zwischen 8000 und 12.000 Dollar hin und her, geht es nun auf einmal wieder ganz fix. Und zwar nach oben. 

Am Montag stieg der Kurs auf der Handelsplattform Bitstamp auf 19.808 Dollar und übertraf damit das Rekordhoch von Ende 2017. Damals lag der Höchststand dort bei 19.666 Dollar, bevor der Bitcoin abstürzte und zwischenzeitlich rund 80 Prozent seines Wertes wieder abgab. Nun ging es wieder steil bergauf: Innerhalb weniger Wochen ist der Bitcoin-Wert um rund 50 Prozent gestiegen.

Angesichts solcher Zahlen könnte man die aktuelle Entwicklung schnell als erneute Spekulationsblase abhaken. Der Kursverlauf der vergangenen zwölf Jahre zeigt, dass Preisblasen ein immer wiederkehrender Teil des digitalen Geldes sind. Dass somit auch die derzeitige Kursentwicklung in einer weiteren Blase enden wird, ist wahrscheinlich und sollte niemanden überraschen.

Allerdings liegen die Dinge diesmal etwas anders als beim letzten Hoch: Im Gegensatz zu 2017, wo der Bitcoin-Kurs von fast 20.000 Dollar die absolute Spitze der Erregungskurve war, die die Blase letztlich zum Platzen brachte, interessiert sich die breite Öffentlichkeit aktuell offenbar kaum für den Bitcoin-Kurs.

Die Währung ist technisch gereift

Diesmal gibt es keine atemlosen Schlagzeilen, keine Deutsch-Rapper, die für ihre minderjährige Fanbase prahlend über ihre Krypto-Investitionen rappen , keine allgegenwärtige FOMO , also die Angst, die Chance seines Lebens zu verpassen, wenn man jetzt nicht auch Bitcoins kauft – oder verkauft. Während 2017 die Google-Suchanfragen zu »Buy Bitcoin«  parallel zum Kurs in die Höhe schossen, scheint die Frage, wie und wo man eigentlich Bitcoin kauft, in letzter Zeit im Netz nicht drängender zu sein als auch sonst im Schnitt der vergangenen zwei Jahre.

Das wirft die Frage auf, warum Bitcoin denn dann überhaupt so hoch im Kurs steht. Woher kommt die Nachfrage, die den Preis von Bitcoin als einer von zwei Faktoren letztlich maßgeblich bestimmt? Auch wenn es darauf mehrere mögliche Antworten gibt, haben sie doch einen gemeinsamen Nenner: In den vergangenen drei Jahren hat sich viel verändert. 

Bitcoin ist in dieser Zeit technisch gereift. Allein die Referenz-Software Bitcoin Core hat seit dem letzten Preisboom 15 kleinere und größere Updates erfahren . Ein weiteres, an dem die Community lange und intensiv gearbeitet hat und das die Funktionalität und Effizienz von Bitcoin noch einmal signifikant erhöhen könnte, steht kurz vor der Implementierung. 

Darüber hinaus ist mit dem Lightning-Netzwerk eine auf Bitcoin basierende Zahlungsinfrastruktur entstanden, die das schnelle, sichere und effiziente Bezahlen mit Bitcoin im Netz ermöglicht. Ohne dabei jedoch die in ihrer Kapazität und Leistungsfähigkeit limitierte Blockchain, das eigentliche Bitcoin-Kassenbuch, zu überlasten. Statt drei bis sieben Transaktionen pro Sekunde kann man Bitcoins nun auch über kryptografisch mit der Blockchain verbundene Zahlungskanäle schicken. Jeder Zahlungskanal kann dabei rein rechnerisch bis zu 500 Transaktionen pro Sekunde abwickeln. Eine deutliche Steigerung. Immerhin besteht das Lightning-Netzwerk schon jetzt aus mehr als 35.000 dieser Kanäle .

So wird das Angebot verknappt

Auch die Nutzerbasis ist gewachsen. Auf mehr als 100 Millionen weltweit schätzten Forscher der Universität Cambridge  die Zahl der Besitzer von Kryptowerten in einer im September dieses Jahres erschienenen Studie. Noch bevor PayPal im Oktober ankündigte, zunächst in den Handel, später auch in das Bezahlen mit Kryptowährungen einzusteigen. 

Der Zahlungsanbieter ist dabei aber nur eines von vielen Unternehmen, die sich zunehmend für das digitale Geld interessieren. Dessen technische Reifung in Verbindung mit einer Niedrigzinsphase, deren Ende auch nach Jahren noch nicht einmal absehbar ist, machen die Kryptowährung als alternatives Investment zunehmend interessant. Seit einiger Zeit beginnen Unternehmen daher vermehrt, einen Teil ihres Vermögens in dem digitalen Geld anzulegen. Von mehr als 800.000 Bitcoins, also bereits gut vier Prozent aller rechnerisch verfügbaren Bitcoins, ist bereits bekannt, dass sie sich mittlerweile im Besitz von Unternehmen befinden . Sofern sie diese nicht an ihre Kunden weiterverkaufen, sind sie somit vom Markt genommen. Was das Angebot weiter verknappt – der zweite Faktor, der den Bitcoin-Wert bestimmt. 

Ein Effekt, der noch verstärkt wird durch die sogenannten Halvings. Dabei handelt es sich um vom Bitcoin-Protokoll vorgegebene Zeitpunkte, an denen die Erzeugung und Ausgabe neuer Bitcoins halbiert wird. Ein Prozess, der garantiert, dass schrittweise immer weniger neue Bitcoins auf den Markt kommen und es niemals mehr als 21 Millionen von ihnen geben wird. 

Historisch betrachtet folgte auf diese in etwa alle vier Jahre auftretenden Halvings mit etwas Verzögerung immer auch ein Anziehen des Kurses. Eben erst langsam und dann auf einmal ganz schnell. Dass der Bitcoin-Kurs nun zum Ende des Jahres ein neues Allzeithoch erreicht, überrascht in der Bitcoin-Community daher die wenigsten. Seit dem letzten Halving im Mai dieses Jahres hat man vielmehr darauf gewartet und eher gemutmaßt, wo die Reise wohl dieses Mal endet: bei 100.000 Dollar pro Bitcoin? Bei 200.000? Oder noch mehr?

Manche Zahlen klingen irre, doch sind sie auch nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, wenn man bedenkt, dass ein Bitcoin um diese Zeit vor zehn Jahren noch 20 Cent kostete. Analysten bezeichnen Bitcoin daher auch als asymmetrische Wette. Auf der einen Seite kann man zwar 100 Prozent seines Einsatzes verlieren. Auf der anderen aber weit mehr als 100 Prozent Gewinn machen.

Der ist allerdings keineswegs garantiert. Denn auch wenn die Vorzeichen momentan gut stehen mögen, kann doch niemand die Entwicklung des Bitcoin-Kurses verlässlich vorhersagen. Entsprechend mag die Wette zwar spannend sein, sie bleibt aber auch riskant.