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In Horn-Bad Meinberg sorgt Zuwanderung von Bulgaren und Rumänen für Konflikte

Pulverfass in der Provinz

Horn-Bad Meinberg (WB). Nach der Zuwanderung von mehr als 350 Menschen aus Bulgarien und Rumänien droht die Lage im lippischen Horn-Bad Meinberg zu eskalieren. »Wir haben schon einen Hilferuf an den Ministerpräsidenten geschickt«, sagt Kämmerer Ingo Barz. Ein Ortsbesuch.

Florian Weyand

Ingo Barz ist Kämmerer in Horn-Bad Meinberg. »Die Zuwanderer kamen im Schatten der Flüchtlingswelle«, sagt er.
Ingo Barz ist Kämmerer in Horn-Bad Meinberg. »Die Zuwanderer kamen im Schatten der Flüchtlingswelle«, sagt er. Foto: Florian Weyand

Ingo Barz steht auf dem Balkon seines Büros. Der Kämmerer blickt auf den Marktplatz. Am dortigen Denkmal zu Ehren des Politikers Franz Hausmann versammelten sich zuletzt abends große Zuwanderergruppen und tranken Bier – zum Ärger der alteingesessenen Bewohner. »Wir haben das Denkmal danach einzäunen lassen«, sagt Barz. Mittlerweile ist der Zaun weg, jetzt stehen dort zwei Schilder mit der Aufschrift »Denkmal bitte nicht betreten«. Nicht alle sind damit zufrieden. Die Stadt greife nicht durch, kritisieren Anwohner, berichtet Barz. Er sieht die Sache pragmatisch: »Das Problem hat sich erst einmal erledigt.« Man müsse nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen.


Der Marktplatz in Horn-Bad Meinberg ist zwischenzeitlich zu einem Brennpunkt geworden. Große Zuwanderergruppen sollen sich dort spät abends versammelt haben. Seitdem die Verwaltung dieses Schild anbrachte, hat sich die Lage beruhigt.
Der Marktplatz in Horn-Bad Meinberg ist zwischenzeitlich zu einem Brennpunkt geworden. Große Zuwanderergruppen sollen sich dort spät abends versammelt haben. Seitdem die Verwaltung dieses Schild anbrachte, hat sich die Lage beruhigt. Foto: Florian Weyand

Horn-Bad Meinberg ist bekannt für die Externsteine, eine beeindruckende Felsformation und ein Touristenmagnet. Die Stadt steht aber auch für wirtschaftlichen Niedergang. Nach der Gesundheitsreform Ende der 1990er-Jahre schlossen die Kliniken im Ort. Etwa 1000 Arbeitsplätze gingen verloren. Knapp ein Jahrzehnt später meldete der große Spanplattenhersteller Hornitex Insolvenz an. Wieder waren mehr als 1000 Menschen arbeitslos. Und nun wächst der Frust erneut.

360 Menschen aus Rumänien und Bulgarien im Ort gemeldet

Can Arslan ist in Horn-Bad Meinberg aufgewachsen. Während er vom täglichen Leben im etwa 6500 Einwohner großen Ort erzählt, grüßt er immer wieder Autofahrer und Fußgänger. »Hier kennt sich jeder«, sagt er. Seitdem die Bulgaren und Rumänen in den Ort gekommen seien, habe sich aber viel verändert.


Can Arslan fühlt sich in seiner Heimatstadt nicht mehr wohl. Er fordert: »Die Zuwanderer sollen sich integrieren.«
Can Arslan fühlt sich in seiner Heimatstadt nicht mehr wohl. Er fordert: »Die Zuwanderer sollen sich integrieren.« Foto: Florian Weyand

Der junge Mann zeigt auf eines der vielen baufälligen Häuser im Ortskern. »Hier war einmal die alte Post«, sagt Arslan. Laut dem Horner sollen dort mindestens 50 Menschen wohnen. Belegt ist das nicht. Fest steht aber, dass mittlerweile 360 Menschen aus Rumänien und Bulgarien offiziell im Ort gemeldet sind. »Die Hälfte davon sind Kinder«, sagt Kämmerer Ingo Barz. Sie leben legal in Horn-Bad Meinberg. Als EU-Bürger genießen sie Freizügigkeit.

An kleinen Häusern hängen sieben Briefkästen und mehr

Can Arslan visiert ein weiteres Gebäude an. An der Einfahrt des kleinen Hauses hängen sieben Briefkästen, dazu sind noch vier Briefschlitze angebracht. Während der 22-Jährige sich den Frust von der Seele redet, geht ein Fenster auf. Ein Mann mit dunklen Haaren hat uns im Blick. Später folgen uns erst Kinder, dann tauchen mit etwas Abstand Männer und auch Frauen mit Migrationshintergrund auf. Wir fühlen uns beobachtet.

Man merkt: Die Stimmung im Ort ist angespannt. Bei einer Ratssitzung vergangene Woche hatten die Einwohner ihrem Ärger Luft gemacht. Mehr als 300 Menschen waren gekommen. Es war die größte Ratssitzung in der Geschichte der Stadt, heißt es. Die Bürger erhoben massive Vorwürfe: wilde Entsorgung von Müll, Lärmbelästigung und sogar Prostitution. »Das sind Dinge, die ich ansonsten in der Zeitung über Städte wie Duisburg und Dortmund gelesen habe«, sagt Ingo Barz.


Einige Müllsäcke stehen an einer Hauswand. Durch die teilweise offenen Beutel würden Ratten angelockt, klagt ein Anwohner.
Einige Müllsäcke stehen an einer Hauswand. Durch die teilweise offenen Beutel würden Ratten angelockt, klagt ein Anwohner. Foto: Florian Weyand

Zurück in die Innenstadt: Ein Gastronom klagt, dass einem Kunden vor dem Laden das Fahrrad geklaut worden sei. »Einem weiteren Gast ist von ausländischen Kindern der Kuchen vom Teller gestohlen worden«, schildert er. Eine Kundin in einem Eiscafé berichtet: »Auf den Spielplätzen werden die Geräte blockiert – nicht von anderen Kindern, sondern von Erwachsenen. Ein Zusammenleben ist nicht mehr möglich«, sagt die Unternehmerin.

Polizei stellt keinen Anstieg der Kriminalität fest

Vorwürfe, die der Polizei nicht fremd sind, wie Pressesprecher Lars Ritterbusch erklärt. Die Beamten seien sogar dem Verdacht der Kinderprostitution nachgegangen. »Wir haben viel Manpower reingesteckt und auch verdeckt gearbeitet. Aber wir konnten keine Erkenntnisse gewinnen«, sagt er.

Ein Anstieg der Kriminalität sei statistisch nicht festzustellen. Auch weil viele Fehlverhalten der Zuwanderer nicht strafbar seien. Der Kreis Lippe und Horn-Bad Meinberg gehören zu den sichersten Regionen in NRW, heißt es. Dennoch nehme man die subjektiven Eindrücke der Bürger ernst. Einmal pro Woche soll jetzt eine mobile Wache den Ort anfahren.

Einwohner warnt: »Die Situation droht zu eskalieren«

Der Konflikt in Horn-Bad Meinberg wird auch politisch genutzt. Im Internet wird die Stimmung angeheizt, auf Facebook kritisieren User Rassismus und AfD-Parolen. Can Arslan, der selbst einen türkischen Migrationshintergrund hat, weist das zurück. »Die Menschen können kommen, sie sollen sich aber integrieren – so wie wir«, sagt der 22-Jährige.

Zuletzt habe es beinahe eine Massenschlägerei zwischen Zuwandern aus Südosteuropa und Menschen aus der türkischen Gemeinschaft gegeben. Die Polizei rückte mit mehreren Streifenwagen an. »Ich mache mir Sorgen, dass die Situation bald richtig eskaliert«, sagt Can Arslan. Ein weiterer Hilferuf aus Horn.

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